Einleitung

Wein ist ein Stück Heimat. Um aber diesem Symbolwert gerecht zu werden, muß der Wein auch seiner Heimat entsprechen. Deshalb ist dem Anbaugebiet im deutschen Weingesetz eine zentrale Rolle zugewiesen-unter anderem für die Klassifizierung. Nicht strukturpolitische Kriterien, sondern die geographischen, geologischen und klimatischen Gemeinsamkeiten sind entscheidend für die Einteilung der deutschen Weinlande in 13 bestimmte Anbaugebiete.

Nachstehend wird jedes der Gebiete von uns einzeln beschrieben, so daß diese Darstellungen die Grundlagen für die Vorstellung einer Rebenlandschaft sind. Das Gebiet ist aber auch bestimmend für die Güteklasse QbA – im wahrsten Sinne des Wortes, denn ein Wein aus diesen Landen darf nur aus Trauben gekeltert sein, die für dieses Gebiet zugelassen und auch dort gewachsen sind. Außerdem muß er gebietstypisch sein – also heimattreu.

Stellen Sie in Ihrer Weinprobe immer zuerst das Weinbaugebiet vor, denn es bestimmt den Charakter der Weine, sodann wechseln Sie zu Qualitätsstufen, Rebsorten oder Jahrgängen – so interpretieren Sie immer interessant.

Rheinhessen

Ein Wein aus dem – mit über 24.000 Hektar größten deutschen Weinbaugebiet, aus Rheinhessen, befindet sich nun im Glas. Kein Wunder, daß man in einem solchen Rebenmeer behauptet, für die Rheinhessen sei der Wein das Maß vieler, wenn nicht aller Dinge. So sollte man sich im Dreieck zwischen Worms, Mainz und Bingen bei der Frage nach dem Wohlbefinden des Nachbarn zunächst nach dem Stand der Reben und der Qualität des Weines und erst in zweiter Linie nach der Gesundheit von Weib und Kind erkunden. Und nach dem Motto “Wer hott, der hott!” wird den Landsleuten Zuckmayers auch noch ein gesundes Verhältnis zum Besitz nachgesagt. Aus dieser Charakteristik läßt sich wohl auch die Freude am Experiment mit Neuzüchtungen im Weinberg erklären. In kaum einer anderen deutschen Rebregion ist der Anteil dieser Sorten so groß wie in den Bereichen Wonnegau, Nierstein und Bingen. Der Mut zum Risiko hat aber nichts mit einem Hasardspiel zu tun. Die Suche nach der “Idealrebe” entspricht eher dem Selbstbewußtsein rheinhessischer Wein-Genießer, nachdem er gar net so gut wachse kann, wie mir en trinke könne! So wundert es nicht, wenn man aus rheinhessischen Lagen neben Müller-Thurgau, Silvaner, Riesling, Kerner, Morio-Muskat auch Sieger, Faber. Optima, Ortega oder Scheurebe und Portugieser probieren kann. Allen ist neben der Sorteneigenart eine kräftige, bodenständige Würze eigen, so wie beim Wein in unserer Probe, den wir mit Genuß verkosten wollen – eingedenk Goethes Bericht vom Fest an der Rochuskapelle über Ockenheim und Bingen, wo er den Bischof predigen ließ, daß sich hier niemand der Weinlust zu schämen braucht!”

Baden

Aus dem Weinbaugebiet Baden kommt, meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere nächste Probe. Mit seinen zirka 15.000 Hektar Rebfläche und einem langjährigen Durchschnittsmostertrag von 1,1 Millionen Litern ist Baden das drittgrößte Weinbaugebiet der Bundesrepublik. Es reicht am weitesten nach Süden und gehört als einziges in Deutschland zur Weinbauzone B der EU, wie auch das Elsaß, die Champagne und das Loire-Tal. Es gelten daher generell höhere Mindestanforderungen für Qualitäts- und Prädikatsweine. Das Anbaugebiet erstreckt sich etwa 400 Kilometer lang über die acht Bereiche Tauberfranken, Badische Bergstraße/Kraichgau, Ortenau, Breisgau, Kaiserstuhl, Tuniberg, Markgräflerland und Bodensee. Das Klima ist hier besonders sonnig und warm dank der geschützten Lagen an den Flanken des Schwarzwaldes und des Odenwaldes und der klimatisch begünstigten Oberrheinischen Tiefebene. In dem welt auseinandergezogenen Gebiet finden sich unterschiedliche Böden; vom hitzigen Moränenschotter am Bodensee über die tertiären Kalk-, Ton- und Mergelböden sowie riesige Lößablagerungen, die in die vulkanischen Gesteine eingestreut sind, bis zu Muschelkalk und Keuper im Kraichgau und Taubergrund. Starke Unterschiede in Höhen- und Bodenverhältnissen bedingen eine Vielzahl der Rebsorten. Nach dem Gutedel, einer Spezialität besonders im Markgräflerland, muß man vor allem die Burgundersorten wie Weißer, Grauer und Spätburgunder erwähnen. Badisch Gold ist eine Rarität aus Grau- und Spätburgunder. Doch auch Riesling, Silvaner, Traminer, Müller-Thurgau und Kerner spielen in diesem qualitätsbewußten Weinbaugebiet eine große Rolle. Und diese Qualität erschmecken Sie, brillant ausgebaut, geschmacklich komponiert, bei unserer Probe im Glase.

Württemberg

Bei dem nächsten Wein im Glase, einem Württemberger, wollen wir uns an die Worte von Finanzrat J. Dornfeld aus dem Jahre 1868 erinnern, der in seiner “Chronik des schwäbischen Weinbaus” schrieb: “Außerdem lehrt die Geschichte, daß die thatenreichsten Völker da sind, wo der edle Saft der Reben gewonnen wird”. Er zieht somit Parallelen zwischen dem Württemberger und den Württembergern. Wenn nun heute die württembergische Weinwerbung mit dem Bekenntnis “Ich bin ein Württemberger” an klassische Deutungen anschließt, kann mit diesem Slogan aber nicht behauptet werden, das “bestimmte Anbaugebiet” sei eine einheitliche Rebenregion. Im Land der Kenner und Könner gibt’s nun mal “sodde und sodde” (solche und solche). So ist’s auch beim Wein: ob von Tauber, Kocher und Jagst, aus dem Unterland um Heilbronn und dem Weinsberger Tal, vom Heuchel- und Stromberg, vom Unteren Neckar- und dem Bottwartal, aus dem Stuttgarter Kessel und dem Remstal oder dem oberen Neckartal zwischen Tübingen und Esslingen bis hin zum Schwäbischen Meer überall wird man einen besonderen Württemberger treffen, eigenwillig, charakterstark, ausdrucksvoll und bodenständig. Eines haben die traditions- und qualitätsbewußten Kellermeister dieses “thatenreichen Volkes” jedem, der mit Weinbau zu tun hat, auf den Weg gegeben: den Drang nach Perfektion. Und da gilt es zu “schaffe”, denn immerhin fast 10.000 ha Weinberge müssen gepflegt werden. Rote und Weiße halten sich dabei die Waage, wobei gleich drei Spezialitäten besonders geschätzt werden: Trollinger, Lemberger und Schillerwein. Gleichwohl führt der Riesling in der Anbaustatistik mit zirka 24% – aber nur knapp vor dem Trollinger. Die Tatsache, daß die Württemberger mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von rund 40 Ltr./Jahr ihren Wein fast komplett selbst trinken, bestätigt die Qualität der Gewächse, von der Sie sich nun selbst in unserer Probe überzeugen können.

Nahe

Als nächste Probe, meine sehr verehrten Damen und Herren, verkosten wir einen Wein aus dem Anbaugebiet “Nahe” – ein Weinbaugebiet, das lange Zeit nur von Experten gekannt und geachtet wurde. Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts segelten Kreszenzen von der Nahe unter der Flagge von Mosel und Rhein auf dem Markt. Das mag wohl auch an der Brückenposition der Rebregion liegen, deren Weine mit einer Fülle von Geschmacksnuancen brillieren: Von gehaltvoller Rasse, duftiger Eleganz, milder Würze, fruchtigem Charme schwärmen die Kenner. Vor allem jene, denen bewußt ist, wie die Bodenvarianten den interessanten Charakter der Nahe-Gewächse prägen: Quarzit- und Tonschiefer an der unteren Nahe; Porphyr, Metaphyr und Buntsandstein am mittleren und oberen Flußlauf; aber auch Verwitterungsböden und Tonüberlagerungen aus Sandstein, Löß und Letten im Umfeld von Bad Kreuznach. Sowohl beim Riesling wie vor allem beim Müller-Thurgau, die etwa zu gleichen Teilen gut die Hälfte der zirka 4.700 ha Anbaufläche beherrschen, kann man die Finesse je nach Herkunft und Lage besonders gut erschmecken. Bei einem solchen Zungenspaziergang durch den “Musterkeller” der deutschen Weißweine begegnet man natürlich auf jedem Schritt und Schluck der Historie, die hier im besonderen Maße beim Wein und mit Wein geschrieben wurde. Namen wie Franz von Sickingen, Ulrich von Hutten, Dr. Faust bis hin zu Konrad Adenauer und Charles de Gaulle zieren die Chronik der reizvollen Landschaft, die mit Naturschönheiten, Burgen und architektonischen Denkmälern gesegnet ist. Seit die Nahewinzer nach dem Reblausschrecken gezwungen waren, ihre Weinberge neu anzulegen, haben sie als Pioniere der Flurbereinigung selbst Weinwirtschaftsgeschichte geschrieben – so daß sie längst mit berechtigtem Stolz ihre Weine wie Edelsteine präsentieren können; wie unser Wein im Glase, geschliffen und mit makelloser Reinheit und eleganter Fülle. Auf ihn trifft das Scheffel-Bekenntnis zu: “Wer die Nahe sah, bleibt – der Nahe fern – der Nahe nah!”

Franken

Einen Frankenwein, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchten wir Ihnen als nächste Probe servieren, und einen Wein aus diesem Anbaugebiet muß man immer ein wenig anders beurteilen als ein Gewächs aus einem der anderen zwölf Gebiete. Schon im 7. Jahrhundert, als ein iro-schottischer Wanderprediger das Maingebiet missionierte, hätte dieser die fränkischen Heiden ohne den Wein nie vom Christentum überzeugen können. Zwar wurde der Märtyrer Kilian auf Geheiß einer verbitterten Fürstentochter erschlagen, doch er blieb über die Jahrhunderte hinweg der Schutzpatron der fränkischen Weinberge. Die Kilians-Legende ist nur ein Charakteristikum für die Eigenheit der selbstbewußten Rebzunit am Main. Sie beruft sich nicht auf römisches Erbe, sondern hegt eine ureigene Tradition in anderer Form. Die Weingärtner heißen “Häcker” und nicht “Winzer” (vom lateinischen “vinitor”). 40.000 ha Frankenland trugen einst Reben, heute ist dieses Areal allerdings auf knapp 6.000 ha geschrumpft. Aber dank der Konzentration auf beste Lagen mit qualitätsbewußter An- und Ausbaupolitik hat man dem Wein dieses Anbaugebietes seine klassische Geltung bewahrt. Verkosten wir nun einen solchen Frankenwein und haben wir vielleicht die Möglichkeit, seinen Erzeuger zu kennen, so kann man erstaunt sein, wieviel Charakter-Verwandtschaft zwischen den Rebleuten und ihrem Wein im Reich des Bocksbeutels besteht. Kernig, markant, erdverbunden, eigenwillig beim ersten Umgang, nie oberflächlich-vordergründig, zuweilen dennoch flott und herzhaft spritzig. Ursprung dieser Nuancen sind die Böden der drei Hauptbereiche: Muschelkalk und Letten mit Löß im Maindreieck, Keuperverwitterung im Steigerwald sowie Buntsandstein im Westen am Spessart. Und so erfreuen wir uns an der Stoffigkeit unseres Bocksbeutelweines, an seiner markanten Art und an seinem typischen “Frankencharakter”.

Rheingau

Die nächste Probe, meine sehr verehrten Damen und Herren, präsentiert uns einen Wein aus dem Anbaugebiet Rheingau. Schon allein bei der Nennung dieses Namens kommen weinkundige Autoren ins Schwelgen. Der Engländer Hugh Johnson spricht vom “besten Anbaugebiet am Rhein”; und in Frank Schoonmakers “Weinlexikon” heißt es: “Nach Meinung vieler Experten das bedeutendste Weißweingebiet der Welt.” Dabei zählt der Rheingau mit knapp 3.000 ha Rebfläche zu den kleineren Anbaugebieten Deutschlands. Geographisch betrachtet, ist der Rheingau ein 38 Kilometer langer und zwei bis drei Kilometer breiter Streifen am Rhein, der sich von Wicker über Flörsheim und Hochheim am Main, die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden, das den Touristen in aller Welt bekannte Rüdesheim bis hin nach Lorchhausen erstreckt. Der Weinbau findet hier ideale klimatische Bedingungen vor, die schon vor vielen hundert Jahren von weinbautreibenden Klosterbrüdern erkannt wurden. Der in dieser Region fast seenartig breite Rhein sorgt mit seiner Wasserfläche für eine Reflexion der Sonnenstrahlung; zudem speichert er die Tageswärme und besorgt damit auch einen Temperaturausgleich zwischen Tag und Nacht. Im Hinterland schützen die Wälder des Taunusgebirges vor kalten Nordwinden. Die durchschnittlichen Klimawerte des Rheingaues gewährleisten ein hervorragendes Wachstum der Reben: 9,9°C mittlere Jahrestemperatur, 1.643 Sonnenstunden und nur 536 mm Jahresniederschläge. Hinzu kommt eine bemerkenswerte Vielfalt der Böden mit Schiefer, Quarzit, Sandsteinen, Kiesen und Löß, die zum Nuancenreichtum der Rheingauer Weine beiträgt. Und so nuancenreich präsentiert sich auch unser Wein im Glas. Blumige Fruchtigkeit, gepaart mit rassig, pikanter Säure

Mittelrhein

Mit der nächsten Probe verkosten wir nun einen Wein aus dem Anbaugebiet “Mittelrhein”. Es ist das Weinbaugebiet, das von Kaub bis zum Siebengebirge reicht. Der obere Teil umfaßt das vielbesungene “romantische”, steilhängige Rheintal, das bis Koblenz von Burgen gesäumt ist und die hübschesten Dörfer und Städtchen aufweist. Man denke nur an das anmutige, alte Bacharach, dessen Weine im Mittelalter berühmt waren und als die besten aus deutschen Landen galten. Bacharacher Wein ging damals jedes Jahr an den päpstlichen Hof und erfreute sich großer Wertschätzung.

Der steilste Felsenhang am Mittelrhein ist die Loreley und das pittoreskeste Gebäude die uralte Pfalz, die auf einer Insel bei Kaub mitten im Rhein sitzt und wo die deutschen Kaiser bei ihren Rundreisen ebenso fröhlich wie die Päpste in Rom dem Bacharacher zusprechen konnten. Das Turmgebäude war mehr ein Zollhaus, als ein Kaisersitz. Etwa 900 Hektar Rebfläche, meist auf halsbrecherischen Felsenhängen, umfaßt das Mittelrheingebiet, hauptsächlich bestockt mit Rieslingreben auf Schieferböden. Diese Steillagen prägen den Weincharakter. Rassige Säure ist dominierend, und stoffige Fülle zeichnet diese Weine aus- so wie bei unserer Probe im Glase.

Ahr

Aus dem wunderschönen, kleinen Anbaugebiet “Ahr” stammt, meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere nächste Probe. Zwei Götter mindestens haben-lange bevor in Bonn Halbgötter einzogen zwischen der hohen Eifel und dem Rhein ein sagenhaftes Gemeinschaftswerk geschaffen: Vulcanus zuerst. Er hat die Erde aufgerissen, Gesteinsmassen durcheinandergewirbelt, heiße Quellen aufbersten lassen, der Ahr einen schmalen Weg gebahnt. Mit all dem hat der Herr über die Glut der Erde dem fruchtbringenden Götterkollegen Bacchus die Voraussetzungen geschaffen, daß er auf knapp 17 Meilen eine Rebenregion besonderer Art ersinnen konnte. Zur Glut der Erde kam das “Blut der Erde”, wie alte Ahrwinzer den Saft ihrer Rotgewächse nennen. Was Wunder, daß diese Göttergunst so vielen Trost, Heilung und Entspannung zuteil werden ließ und das über die Zeiten hinweg bis heute. Denn nach wie vor spendet das Bäderland an der Ahr mit Wasser und Wein Kraft und Gesundheit. Auf vulkanischem Gestein, Grauwacken, Tonschiefer und auch Löß in den Talauen (vor allem an der unteren Ahr) sind etwa 450 ha zu fast 50% mit edlem Spätburgunder bestockt, der in erster Linie den Ruf der Region begründet hat. Der Weingott hat es gleichwohl seinen Schützlingen an der Ahr nicht leicht gemacht. Der größte Teil der Rebzeilen muß in kühn terrassierten Steillagen mühsam bearbeitet und liebevoll gehegt werden. Und mit welcher Liebe dieser Wein ausgebaut wird, schmecken Sie direkt bei unserer Probe im Glas:

Bei einem Rotwein: Samtig, mit feiner Würze und geschliffenem Aroma präsentiert sich der Wein, und er macht der Dichtung alle Ehre, die da sagt: “Wie ein Rubin, der flammt und glüht, erhebend wie das Hohe Lied.”

Bei einem Weißwein: stoffig und, wie von Steilhanglagen nicht anders zu erwarten, mit rassig, pikanter Säure.

Hessische Bergstraße

Die nächste Probe, meine sehr verehrten Damen und Herren, serviert Ihnen einen Wein aus dem Anbaugebiet “Hessische Bergstraße”. Wie war es wohl möglich, daß ein so kleines Gebiet, angrenzend an eine so große Weinlandschaft wie Baden seine Eigenständigkelt erhalten konnte? Verantwortlich war Napoleon, aber auch die Europäische Gemeinschaft, daß sich heute zwischen Darmstadt und Weinheim (genauer zwischen Heppenheim und Seeheim, dazu rund um Groß-Umstadt) ein selbständiges Anbaugebiet mit dem Slogan “klein, aber mehr als fein” schmücken kann. Der Franzosenkaiser ordnete 1803 den Frühlingsgarten an der Bergstraße dem hessischen Großherzogtum Darmstadt zu, und die EG verlangte Ende der sechziger Jahre unseres Jahrhunderts, daß Anbaugebiete nach politischen Einheiten zu gliedern seien. Also kam der nördliche Teil der Bergstraße zu der Ehre, als kleinstes deutsches Anbaugebiet mit zirka 400 ha eigenständig im Deutschen Weinatlas ausgewiesen zu werden.

Mehr noch als die politische Entscheidung ist es freilich die Gunst der Natur, die für besondere Vorzüge der Hessischen Bergstraße sorgt. Vom Odenwald gegen widrige Nord- und Ostwinde geschützt, gedeiht auf leichten Böden mit hohem Lößanteil eine besonders füllige Flora. Das zeigt sich schon im Frühling, der an der “strata montana” weit eher erwacht als in anderen Regionen. Und wo Mandeln, Edelkastanien und Aprikosen im Lenz eine berauschende Blütenpracht entfalten, dort hat natürlich auch die Rebe eine ideale Heimat. So wachsen hier Weine, die, wie bei unserer Probe erkennbar, schon in der Nase den reifen Sortencharakter zeigen, bei denen auch das Aroma wohl ein wenig stärker ist als bei der gleichen Sorte andernorts und bei denen der Weincharakter ausgeprägt wie nur äußerst selten, zur Geltung kommt – das sind die feinen “Bergsträßler”.

Saale-Unstrut

Einen Wein aus dem kleinen Anbaugebiet Saale-Unstrut möchten wir Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, als nächste Probe servieren. Sicher kennen die meisten von Ihnen das alte Lied: “An der Saale hellem Strande stehen Burgen, stolz und kühn”; weniger bekannt allerdings, besonders in den alten Bundesländern, sind die Weine, die an den Hängen dieses Flusses gedeihen, der sich als Schlagader durch das grüne Herz Deutschlands zur Elbe hin schlängelt. Dennoch ist Rebkultur im alten Thüringen und Sachsen-Anhalt seit über 1.000 Jahren belegt, vor allem gepflegt von Dom- und Klosterherren. Doch Kriegsfurien, Frostkatastrophen, Rebschädlinge, Wirtschaftskrisen und andere Schicksalsnöte haben den Weinbau an Saale und Unstrut in der Zeiten Lauf mehr und mehr dezimiert. Noch vor 100 Jahren waren immerhin gute 1.000 ha bestockt. Heute (1994) sind von knapp 400 ha noch etwa 80% auf klassischen Mauerterrassen und Steilhängen bepflanzt. Waren es früher auch rote Sorten, wie der blaue Clävner und die Mohrentraube, die hier neben Weißburgunder und Gutedel reiften, so sorgen sich jetzt im Dreieck zwischen Kaatschen, Vitzenburg (Unstrut) und Burgwerben noch 800, meist Feierabend- und Hobbywinzer vor allem um Silvaner und Müller-Thurgau, die mit zusammen etwa 75% dominieren. Was aber im real existierenden Sozialismus noch mehr oder weniger einträgliche LPG-Pflicht war, kann heute unter anderen Wettbewerbsbedingungen Chance sein, wenn nicht Masse, sondern selektionierte Klasse als Ziel gesetzt wird.

Und so lassen Sie uns auch diese Probe beurteilen. Klassisch ausgebaut, mit Feinheit und Finesse, nicht zu schwer und körperreich, aber mit elegantem Spiel und sortentypischer Frucht.

Sachsen

Mit der nächsten Probe, meine sehr verehrten Damen und Herren, verkosten wir einen Wein aus dem Anbaugebiet Sachsen. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 ist Sachsen mit zirka 300 ha derzeitiger Anbaufläche das kleinste der 13 deutschen Weinanbaugebiete. Doch da gibt es noch einige potentielle Weinbauflächen, die nur auf ihre Neuanpflanzung warten. Denn es lohnt sich, sächsischen Wein anzubauen, aber auch, ihn zu trinken.

Denn was Renommee und Tradition angeht, brauchen die Elbtal Weingärtner ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Immerhin war Sachsen nach vielen historischen Belegen bis ins 19. Jahrhundert hinein “den Rheinlanden ebenbürtig”, und von Meißen aus wurde der Weinstock bis weit ins Brandenburgische verbreitet. Nach dem Silberbergbau war für die Staatskasse des Kurfürsten die Weinwirtschaft eine tragende Stütze. Noch vor 150 Jahren wurden von Sachsens Winzergilde 250.000 Thaler brutto erlöst. Nach den allgemeinen, vielfältigen Rückschlägen der Rebkultur begannen erst 1912 Winzer an der Elbe und der Lößnitz (bei Radebeul) mit dem Neuaufbau und sie konzentrierten sich jetzt auf die weißen Sorten. Heute stehen der Müller-Thurgau mit zirka 25% und der Riesling mit rund 22% an der Spitze der Rebsortenpalette. Granit und Gneis in den Steillagen, Löß auf den Höhen und Sand in den Talauen bilden den Wurzelgrund; in ihm ist auch das Vertrauen der Winzer verankert, daß in Zukunft die Lagen zwischen Pillnitz und Seußlitz mit dem gleichen lobenden Respekt geachtet und betrachtet werden wie zu Zeiten, da sächsische Exporte weit über die Grenzen des Königreiches hinaus begehrt waren. Und daß man die sächsischen Weine achten muß, zeigt unsere Probe im Glase. Reintönig, mit einer pikanten Feinfruchtigkeit präsentiert sich dieser echte “Sachse”.

nach G. Neitzer

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